Albert Watson – Ausstellung in den Deichtorhallen

Ehrlich gesagt sagte mir der Name Albert Watson nicht viel, als ich von der aktuellen Ausstellung im Haus der Photographie las. Natürlich kannte ich das eine oder andere Bild, aber das war es dann. Also bin ich relativ frei von Erwartungen in die Ausstellung gegangen und war schon im ersten Raum überrascht: Mr. Watson ist der bevorzugte Fotograf von Sade, er hat viele der  wunderbaren Fotos und einige ihrer Videos gemacht, so z. B. „Cherish The Day“. Das schwarzweiße Bild (ein „Still“ aus dem Video), auf dem Sade im weißen Flatterdress mit einer E-Gitarre über den Dächern von New York posiert, hängt im Großformat an der Wand – sonst keines. Im Hintergrund läuf ihre Musik, die Atmosphäre ist chillig.

Gemütlich schlenderte ich durch die Las Vegas-Bildstrecke. Hier leuchten die Farben und mich faszinieren seine Portraits einer Domina, die ohne Zweifel auch sofort die Rolle der Catwomen hätte übernehmen können. Interessant sind auch die Kontaktabzüge und Polaroids, die einen Einblick in die Arbeit Watsons gewähren.

Das Herzstück der Ausstellung hat mich am meisten überrascht:  Watson hat für das Projekt „Cotton made in Africa“ Baumwollbauern in Benim  fotografiert und ich erwartete rein dokumentarische Bilder. Falsch erwartet. Die Bilder der Menschen übertrafen in jeder Hinsicht meine Erwartungen. Wunderschön inszenierte Aufnahmen, starke Portraits. Im Hintergrund nicht nur Dorfkulisse und Landschaft, wie man es sonst so sieht, sondern durchaus auch Studiohintergrund. An einer Wand, bestimmt 4×4 Meter groß, ein Baumwollfeld.

Im nächsten Abschnitt gibt es einen Querschnitt seiner Fashion-Fotografie und Portraits (von meist prominenten Menschen) zu sehen, die meisten Abzüge (dies gilt vermutlich für alle Bilder der Ausstellung)  hat Watson selbst gefertigt. Und dieser Part hat mich einfach nur geflasht. Was für Inszenierungen, was für Arrangements! Vor einem Foto stand ich und meinte den Wind zu spüren, der dem Model durch die Haare wehte. Die Bilder sind an Erotik und Intensität kaum zu übertreffen. Und der Fotograf kann unglaublich mit Stoffen umgehen! Da wird drapiert, gebauscht, gewickelt. Und die Wirkung der Stoffe auf den Bildern ist kein Zufall, denn Watson versteht sich nicht als Modefotograf, sondern als Fotograf in der Mode und hat sich intensiv mit Stoffen beschäftigt, um deren Wirkung im Zusammenspiel mit der Kamera zu erkennen. Er hat Kleider regelrecht erforscht und sie sich auch von innen angesehen und sich so eine große Sachkenntnis angeeignet. 
Köpfe werden zu reinen Silhouetten, wenn das Licht auf Schulter und Stoff liegt, auch Ausdruck des Minimalismus Watsons. Er rät: „Wenn etwas in einem Bild den Blick auf sich zieht, das vom Wesentlichen ablenkt, dann nimm es weg.“ Diese Arbeitsweise ist übrigens auch gut auf den Kontaktabzügen nachzuvollziehen.

Eine faszinierende Ausstellung eines Fotografen, der sein Handwerk in Perfektion beherrscht und der sich nie hat beschränken lassen. Er fotografiert, was er fotografieren möchte und so fotografiert er auch schon mal Hat Blocks, auf denen früher Hüte hergestellt wurden. Aber auch Landschaften, Stillleben und in der Ausstellung hängt ein Makro einer Baumwollblüte, die in jedem Makro-Fotografen Bewunderung auslösen wird.

Direkt im Anschluss habe ich mir sein Buch „UFO“ gekauft, welches einen Querschnitt durch seine Arbeit der letzten 40 Jahre zeigt und 364 (!) Fotos in schön großem Format. So ist das Buch auch mal eben 4 kg schwer ;-). Eine absolute Empfehlung, denn es kostet reduziert nur noch 35€, was in Anbetracht des Umfangs, der Qualität und des wunderbaren Einbands ein Schnäppchen ist.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 4. Januar 2013. Informationen über die Öffnungszeiten findet ihr auf der Webseite der Hamburger Deichtorhallen.

Ich habe euch im Folgenden ein paar interessante Links zusammengestellt:

albertwatson.net  Die Internetpräsenz des Künstler – unbedingt ansehen und in den Bildern versinken ;-)!

Albert Watson im Interview mit Marc Ludwig von FotoTV – (Film) Ein spannendes Interview!

Albert Watson im Interview über seine Ausstellung in den Deichtorhallen (Film)

Starfotograf Albert Watson in Hamburg  (Film) Kleine Reportage des NDR, vor allem über seine Arbeit in Benin

„Ich wurde geboren, um zu fotografieren“ Albert Watson im Interview auf art-magazin.de

18 Antworten zu Albert Watson – Ausstellung in den Deichtorhallen

  1. martinshausgeist sagt:

    Herzlichen Dank für die tolle Beschreibung der Ausstellung und die tollen Links! Hat viel Saß gemacht und es sind großartige Fotos! LG Roswitha

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      Danke, dass du dich mit mir freust 🙂 Diese Bilder hallen immer noch in mir nach. Und wenn das so ist, dann hat einen etwas richtig getoucht ;-).

      Leider steht Frankreich z. Zt. nicht auf unserem Reiseplan, aber vielleicht irgendwann….

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  2. eklof sagt:

    Nach langem – endlich wieder einer Deiner wunderbaren Ausstellungsberichte…. und ich merke, ich war zu lange nicht da – auch im Haus der Photographie… 😉
    Danke für’s Erinnern!
    f.

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  3. …. Durchatmen.. 🙂 Ich bin jetzt direkt im Netz hängengeblieben und habe deine links durchstöbert: Auf nach Hamburg. Die Ausstellung ist wohl ein Muss. Danke für den unheimlichen guten Beitrag.

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    • Verfasser

      Ja, die musst du dir unbedingt ansehen. Zu Samuel Leiter ist das natürlich ein krasser Gegensatz, aber gerade die unterschiedlichen Sichtweisen, die die Welt der Fotografie zu bieten hat, macht sie so interessant. Danke für deine Zeilen 🙂 LG, Conny

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  4. Wow, Deine Führung durch die Ausstellung ist grossartig. Mit grosser Freude habe ich mir im Anschluss die Website des Künstlers und die anderen links angeschaut. Ich bin sehr gespannt auf mein UFO.
    LG, Gilles

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    • Verfasser

      Hi Gilles, das freut mich natürlich sehr, dass dir mein Bericht so gut gefallen hat, dass du dir direkt das „UFO“ bestellt hast. Bin gespannt, wie es dir gefällt. Ich kann darin versinken 🙂 LG, Conny

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  5. Pixel Point sagt:

    Letzten Donnerstag war ich auf Fototour in Hamburg und natürlich war ich auch an den Deichtorhallen „Haus der Fotografie“ und ich wäre auch gerne in die Ausstellung gegangen, aber leider hatte ich keine Zeit musste ja selber Fotos machen, dennoch interessant wäre es schon gewesen, vielleicht ähnlich wie bei Andreas Gursky in Düsseldorf, auch zu empfehlen!

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    • Verfasser

      Gursky ist mit Sicherheit spannend. Übrigens bekam ich gerade einen Schreck, als ich mit dem Cursor auf deine web-Adresse ging und ein Bild aufpoppte, das einem, das ich gemacht habe fast zum Verwechseln ähnlich sieht: Aber die Bilder sind trotz des gleichen Motivs schon sehr unterschiedlich 🙂 Du bist wohl öfter in Hamburg zum fotografieren 😉 LG, Conny

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