Künstlergespräch Joakim Eskildsen

Deichtorhallen II

Am letzten Freitag war ich in den Deichtorhallen zu einem Künstlergespräch. Regelmäßig lädt der Freundeskreis des Hauses der Photographie Fotografen ein, die ihre Bilder und Projekte vorstellen, einen Einblick in Arbeitsweisen und ihre Biografie geben. Stets sehr interessant, weil ich Bilder und Serien manchmal besser verstehe, wenn ich die Hintergründe dazu kenne.

Diesmal war Joakim Eskildsen eingeladen, dessen Ausstellung zu seinem Projekt und Buch „Die Romareisen“ ich vor längerem bestaunt hatte und dadurch besonders neugierig auf den Künstler war. Vorab: Der Abend war einer der unterhaltsamsten, die ich im HdPH je erlebt habe. Joakim Eskildsen hat Witz und Charme und erzählt auf amüsante Weise von seinem Weg in die Fotografie. Besonders beeindruckt hat mich, dass er tatsächlich nie etwas anderes gemacht hat. Ich will hier nicht seine Biographie skizzieren, vielleicht nur ein paar interessante Aspekte und Aussagen vorstellen.

Eine gewisse Besessenheit von der Fotografie lässt sich früh erkennen: Mit 14 begann er zu fotografieren und setzte schnell Prioritäten. Er liebte schon immer besonders nebelige Tage und an solchen entschied er für sich, dass es besser ist, mit der Kamera Kühe im Nebel zu fotografieren als in die Schule zu gehen. Durch einen Zufall bekam er einen Praktikumsplatz bei der dänischen Hoffotografin Rigmor Mydtskov, die ihn dann auch ausbildete. Nach der Ausbildung wollte er aber nicht dort bleiben und fotografierte wieder die Kühe im Nebel in seinem Heimatdorf, wie er erzählt ;-). Er wollte unbedingt Bücher mit seinen Bildern gestalten und da er nicht wusste, wie das ging, studierte er in Helsinki die Kunst, Bildbände herzustellen. Noch heute sagt er, das dass für ihn die perfekte Art ist, seine Bilder zu präsentieren. Bildbände sind  das Ziel seiner Arbeit mit der Kamera. Was ich sehr gut nachvollziehen kann, denn ein Buch bietet nicht nur die Möglichkeit, Texte und Bilder zu transportieren, es schließt auch ein Projekt ab. Es ist fertig, daran ist nichts mehr zu rütteln.  Es ist ein Werk in sich und wird genauso weitergegeben und betrachtet. Vielleicht vergleichbar mit Pink Floyds „The Wall“, ein Werk, das man nur im Ganzen verstehen kann.

Bis heute hat er nichts anderes gemacht und das sehr intensiv. Für seinen größten Erfolg, „Die Romareisen„, verbrachten seine Frau und er 6 Jahre mit den Roma und Sinti in verschiedenen europäischen Ländern. Das Werk hat zurecht den Fotobuchpreis in Gold erhalten. Wunderschöne, intensive Bilder. Seitdem fotografiert er hauptsächlich seine Kinder, so richtig mit Stativ und Mittelformatkamera und ich warte jetzt gespannt auf seinen nächsten Bildband „Homeworks„. Er hat uns viele der Bilder gezeigt, die darin zu sehen sein werden. Unglaublich gut! Dieser Fotograf hat einen sehr poetischen Blick und das Licht und die Farben in seinen Bildern sind wunderschön. Ich glaube in seinen Bildern spiegelt sich seine Sicht auf die Kinder wider. Wie begeistert er von ihnen erzählt, die er mit kleinen Astronauten vergleicht, die so vieles entdecken, dem Erwachsene keinen Blick schenken. Das macht er jetzt seit 8 Jahren und es sei so spannend, erzählt er. Zwischendurch war er zweimal für das Time Magazin auf Cuba und in den USA. So richtig wollte er erst nicht, hat dann aber ausgehandelt, das seine Auftraggeber bestimmen dürfen, wo er fotografiert, aber nicht was. Da wollte er sich nicht rein reden lassen.

Photoshop: Natürlich kam im Publikum die Frage auf, ob er die Lichtstimmung und die Farben manipuliert, gar Photoshop benutzen würde. Klar, sagt Eskildsen. Er liebe seinen Photoshop. Für ihn sei wichtig, dass alle Elemente auf dem Bild enthalten sind, aber der Kamerasensor kann nicht das Sehen eines Photographen interpretieren, es ist nur ein Stück Technik. Er (der Photograph) hat die Licht- und Farbstimmung gesehen und empfunden und PS sei nur ein Werkzeug, diese aus dem Bild herauszuholen. Genau, so sehe ich das mittlerweile auch. Es sind Visionen, die wir umsetzen, wobei ich mich jetzt nicht mit Herrn Eskildsen vergleichen möchte, nicht falsch verstehen ;-).

Er arbeitet grundsätzlich an einem Thema. Wenn er anfängt, Bäume zu fotografieren, dann fotografiert er eine Weile eben nur Bäume und dann kommt das nächste Thema. Vielleicht ist diese Auseinandersetzung grundsätzlich wichtig, das Erkennen, das Sich-Einlassen, das Abschließen? Darüber muss ich noch nachdenken oder es mal ausprobieren. Mach, was dich interessiert und das intensiv. So verstehe ich seinen Ansatz.

Schön auch sein Exkurs zum Thema Disziplin. Fotografen brauchen Disziplin. Ohne Disziplin würden viele Bilder nicht entstehen. Er zeigt ein Bild, das er von einem Berg aus aufgenommen hat. Im Tal liegt ein kleines Dorf über dem ein Sylvesterfeuerwerk explodiert. Er erzählt, dass er völlig kaputt von einem anstrengenden Tag mit ein paar Freunden auf dem Weg vom einen Ende des Dorfes zum anderen war, wo eine Feier stattfinden sollte. Er drehte sich um, sah den Berg und stellte sich vor, was für eine tolle Langzeitbelichtung er von dort oben aus von dem Feuerwerk machen konnte. Hin- und her gerissen zwischen beiden Optionen wog er ab. Den ganzen Weg zurück gehen, Stativ und Kamera einpacken, auf den Berg steigen, warten und fotografieren oder mit den Freunden feiern. Tja, sagt er, hätte er nicht die nötige Disziplin gehabt, wäre dieses Bild nie entstanden. Disziplin sei eine der wichtigsten Eigenschaften über die ein Fotograf verfügen sollte ;-). Ok, ob bei mir die Disziplin je den inneren Schweinehund überwindet und ich morgens um 5 Uhr in der Natur fotografiere, weil der Raureif im Licht des Sonnenaufgangs besonders schön aussieht? (Habe ich bisher nur auf den Fotos anderer Fotografen gesehen 😉 )

Es war ein interessanter und inspirierender Abend und hat mir auf charmante Weise viele Denkanstöße gegeben und die Bilder wirken nach.

8 Antworten zu Künstlergespräch Joakim Eskildsen

  1. Ray Catcher sagt:

    Interessanter Artikel als Einblick. Dieses Konzentrieren auf ein Thema kenne ich auch. Es ist manchmal so schwer, mehrere Themen wortwörtlich im Blick zu haben, dass man gerade, wenn man das eine sucht, das andere nicht mehr findet. Und die Rolle von Photoshop kann ich unterstreichen: Das Gesehene hervorheben. Disziplin… stimmt auch. Aber da haben es Hobbyfotografen besser. Sie können sich sagen: Wen juckt es, dass ich gerade ein geniales Bild verpasst habe… 😉

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    • Verfasser

      Oh, das hätte den Herrn Eskildsen sicher sehr gejuckt, er veröffentlicht ja nicht alle Bilder, aber er MUSS sie machen :-D. Stimmt, was du schreibst über mehrere Themen. Ich habe auch so 2-3 Projekte oder Themen, an denen ich immer weiter arbeite und manchmal vergesse ich eines, weil mir die Motive dafür nicht überall begegnen, sondern ich an einen bestimmten Ort fahren muss. Und das will ich jetzt auch demnächst mal abschließen. Fällt mir aber schwer….

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  2. Werner sagt:

    Toller Beitrag, liebe Conny. Vielen Dank. – Wie wichtig sind solche neuen Inspirationen und Eindrücke. Und das gilt nicht nur für die Fotografie, sondern ist ein generelles Statement. … Auch das habe ich beim Lesen gedacht.
    Sich auf ein Thema zu konzentrieren ist bestimmt eine gute Möglichkeit, seine Fähigkeiten weiter zu entwickeln. Na ja… und was die Bildbearbeitung angeht, egal ob mit PS oder anders: Auch das unterschreibe ich gerrne.
    Rundherum der richtige Beitrag für mich zum Wochenende! Klasse!
    Lg,
    Werner

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    • Verfasser

      Ja, ich brauche diesen Input und ergreife gern jede Gelegenheit, mich inspirieren zu lassen. Vorher war ich noch in der Ausstellung von Jessica Backhaus und kam nach Hause mit ganz viel Energie und neuen Erkenntnissen. Hamburg ist ja so weit weg, vielleicht wäre das auch mal was für dich? LG, Conny

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