Muss „Street“ authentisch sein?

Der Geiz Club neben McDonald´s auf dem Hamburger Kiez.

 FAST & CHEAP

Das Eis für Street-Fotografen ist dünn, zumindest in Deutschland, wo das Recht am Bild bei den abgebildeten Menschen liegt. Wir Fotografen wissen, was das bedeutet. Jeder muss selbst entscheiden, wie er damit umgeht und welches Risiko er eingeht, wenn er ungefragt Bilder von Menschen aufnimmt und gar veröffentlicht. Ich bin kein passionierter Street-Fotograf, aber ab und an mache ich auch solche Aufnahmen und habe keine Lust, den Leuten hinterherzulaufen, sie um schriftliche Erlaubnis zu bitten, das Bild dann womöglich doch löschen zu müssen usw. Das wäre mir zu stressig und würde meine Stimmung als Beobachter stören. Also bleiben viele Aufnahmen im Privaten. Es kursieren zwar die abenteuerlichsten Theorien, so soll z. B. das Lächeln in die Kamera als Einwilligung gelten, was aber bei näherer Betrachtung juristisch nicht haltbar ist, denn ein Lächeln kann zwar heißen: Mach ein nettes Bild von mir, aber noch lange nicht, dass derjenige es auch veröffentlicht sehen will. Wer weiß, ob er später nicht behaupten wird, quasi geistig abwesend vor sich hin gelächelt zu haben. Deswegen suche ich immer wieder nach Möglichkeiten, Menschen so in das Bild zu integrieren, dass man sie nicht erkennen kann, weil sie z. B. zu weit weg sind, im Gegenlicht zur Silhouette werden oder ähnliches. Außerdem entscheide ich auch danach, wie „nett“ und unverfänglich ein Bild ist. Ich meine, da nehme ich mein Feingefühl als Messlatte und klar, wenn ich ein Bild von mir im Internet sehen würde, auf dem ich auf „nette Weise“ eine Streetszene belebe ;-), würde ich mir das Foto vermutlich herunterladen und mich freuen. Nicht aber, wenn ich mich irgendwie bloßgestellt fände oder durch die aggressive Vorgehensweise des Fotografen auf´s Bild gedrängt. Man selbst hat doch ein gutes Gefühl dafür, was ok ist und was gar nicht geht. Aber wie gesagt, das muss jeder Fotograf für sich entscheiden und ich will das an dieser Stelle auch gar nicht in die Tiefe gehend diskutieren.

Ein anderer Aspekt aber, über den ich mir bisher noch nie Gedanken gemacht habe, kam mir bei obigem Bild in den Sinn. Dieser Mann hat meinen stillen Wunsch erhört und ist mir freundlicherweise mit passender Blickrichtung in mein bis dahin recht lebloses Bild gelaufen (Ok, er hätte ein wenig mehr Abstand zu mir halten können, damit der Anschnitt seiner Person überzeugender ausgefallen wäre. Ich selbst scheute die Lebensgefahr, die jeder Schritt weiter zurück Richtung Reeperbahn mit sich gebracht hätte 😉 ).  Das Foto ist zwar relativ unverfänglich, aber die Umgebung könnte eine sein, in der jemand vielleicht nicht abgelichtet werden möchte, also ist mir hier besonders wichtig, dass man ihn nicht identifizieren kann. Nun, ich denke, er hat sein Gesicht so weit abgewandt, dass man ihn nicht erkennen kann. Oder? Was man beim normalen Betrachten nicht sieht: Ich habe mit Photoshop seinen Kopf dezent verändert (Frisur, Haarfarbe, Profil) und ein auffälliges Emblem von seiner Jacke entfernt. Im Vergleich zum Original ist er nun ein anderer Mensch, aber das Original kenne nur ich.

Meiner Meinung nach ist das völlig in Ordnung, denn ich habe seine Blickrichtung nicht verändert und auch sonst keine Bildelemente. Aber wie würden das wohl andere beurteilen, wenn sie es wüssten? Ist es legitim, Photoshop in diesem Genre einzusetzen? Wo sind da die Grenzen und wer zieht sie? Bei meiner kurzen Recherche musste ich feststellen, dass es dazu nur wenig im Netz zu lesen gibt. Ist das Thema so abwegig? Im Grunde endete ich im Studium der unterschiedlichsten Definitionen von Street-Fotografie, deren kleinster gemeinsamer Nenner das Fehlen jeglicher Inszenierung zu sein scheint. Von Photoshop ist nie die Rede, dafür sehen manche schon im Begradigen des Bildes eine unzulässige Manipulation.

Und da sitze ich vor meinem Bild und denke, dass es einfach komplett egal ist, weil der Betrachter das Original nicht kennt. Oder?

50 Antworten zu Muss „Street“ authentisch sein?

  1. Fredi sagt:

    Deinen Denkansatz mit leichen Bildmanipulationen das Erkennen von Personen zu erschweren finde ich interressant. Ich denke dadurch wird das Eis für die Fotografin sicher dicker.
    Du stehst wirklich an der Trottoirkante. Ohne deine Beschreibung hätte ich die Reflexion nicht beachtet. 😉

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  2. rolleck.com sagt:

    Street muss gar nix.
    Mach doch so wie Du meinst und gut ist.
    Ist, wie Du ja schon richtig schreibst, ohnehin eine mehr als heikle Geschichte. Deswegen mache ich mir da auch keinen Kopf mehr. Genau wie dass bei meinen Lost Place Geschichten war 😉
    Solange es gut geht, geht es eben gut.
    Und wichtig ist für mich nur, niemanden bewußt bloß zu stellen, sprich ich frage mich immer, wie es wäre wenn jemand dieses Photo von mir machen und veröffentlichen würde. Deswegen schlummern noch einige Highlights auf meiner Festplatte und werden da auch bleiben. 😀 😉 Auch wenn es eigentlich schade ist… 😀
    Aber jetzt mal zum Bild:
    Geil… nach der schnellen 39,- € Nummer direkt im Anschluß ein Sparmenü beim Burgerbrater…
    Gibbet so wohl auch nur in Hamburch… 😀 😀 😀

    Gruß
    Stefan

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    • Verfasser

      Es gibt wohl viele Menschen, die mit Feingefühl unterwegs sind und das ist gut so.
      Mir sind zu dem Motiv böse Titel und Untertitel eingefallen, aber auch die behalte ich für mich 😉
      LG, Conny

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  3. Lichtbild sagt:

    Nun ja heikel ist dieses besondere Thema ja schon… also dein Bild würde ich eher als „Beiwerk“ deklarieren da der Mensch nicht groß im Vordergrund steht. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn man eine Sehenswürdigkeit fotografiert und da zufällig einige Menschen stehen oder vorbei laufen naja und das gebiet wo du fotografierst nämlich in der nähe der Reeperbahn ist ja eigentlich eine Sehenswürdigkeit oder nicht? Genau wie das Rot Licht Viertel in Amsterdam… fragwürdige Sehenswürdigkeiten aber immerhin stehen sie in den Touristenführern und da es eine rechtliche Definition des Begriffes „Beiwerkes“ eigentlich nicht gibt es wird hier immer im Einzelfall entschieden… mit etwas Glück ;P aber naja obwohl wir das Internet mit Millionen alltäglicher Schnappschüsse fluten und sich niemand die AGBs von Facebook & CO durchliest und den Dashcams oder Autokameras wird sich wohl das deutsche Persönlichkeitsrecht anpassen müssen… oder alles verbieten… heikel… 😛

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  4. Tja, schade, aber man muss da wohl immer etwas vorsichtig sein. Bin ich auch. Dabei ist diese Art von Fotografie einfach sehr spannend.
    Tolles Foto auch von dir, Conny. Ich hätte allerdings die hellen Stellen etwas heller gemacht. Mir ist es ein bisschen zu grau entwickelt … 🙂
    Viele Grüße, Ulf

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      • Nein, eigentlich nicht … Was ich schon gemacht habe, um beim Volksfest zu fotografieren: Dass ich bewusst mit langen Belichtungszeiten (und der dadurch entstandenen Bewegungsunschärfe) Gesichter unkenntlich gemacht habe. Aber ansonsten ist es Street-Fotografie doch eher etwas, was ich nicht oft mache, von daher komme ich normalerweise nicht in dieses Dilemma. Die wenigen Bilder, die es da gibt, sind bisher eher für mich.
        Und bei Konzertfotos (mein Metier) und Publikum ist es wohl so, dass man sich mit der Teilnahme an einem Konzert, also einer öffentlichen Veranstaltung, als Teilnehmer indirekt bereit erklärt, mitfotografiert zu werden.

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  5. Stefan Senf sagt:

    Das ist eine sehr sehr gute Frage. Sie deckt sich mit so ein paar Ideen, die ich schon länger mit mir herumschleppe aber dann doch bisher nicht umsetze. Aber darum soll es nicht gehen.

    Was ist ‚Street‘ ich lese gerade das Buch von David Gibson (‚A street photographers manual‘) und er scheint mir das eher sehr eng zu sehen. Da wird Straßenfotografie – obwohl in meinen Augen ein künstlerisches Genre – an den Maßstäben der dokumentarischen Fotografie gemessen. Selbst wenn man das gelten ließe, hätte man mit dem Problem zu kämpfen, dass die Gegenwart eines Fotografen sowieso eine Szene verändert und dass das ‚unvoreingenommene‘ sozusagen ‚ehrliche‘ Bild auch völliger Humbug ist. Schon die Wahl von Bildausschnitt und Belichtung, von Zeit und Zeitpunkt ist ein ‚Eingriff‘, eine ‚Manipulation‘ des Bildes und des Betrachters.

    Und gleichzeitig stellt man sich die Frage, welchen Sinn Menschen in einem Bild haben, die es nicht gibt. Welchen anderen Vordergrund hätte man wählen können? Ist es besser eine menschliche Figur in so ein Bild einzubinden als beispielsweise eine menschliche Hinterlassenschaft, die auf dem Boden liegt? Kippe, Flasche? Ich habe keine fertige Antwort. Mich beschäftigt das ‚gefühlte‘ Fotografierverbot im öffentlichen Raum aber ich kann noch nicht damit umgehen.

    Dein Bild ist ein ‚Street‘-Foto. Hättest Du nichts gesagt, hätte niemand etwas gemerkt. Es ist authentisch. Du hast gewartet bis jemand kam, hast den Moment abgepasst, hast Dein Bild gemacht. Es ist ein gutes Bild. Es erzählt wie das war, 2015 auf der Reeperbahn. Und doch bleibt – weil ich nun weiß, was seither geschah – ein großes Fragzeichen für mich. Was sagt es noch aus? Wie das war 2015 als man Menschen auf der Straße nicht mehr unvoreingenommen fotografieren durfte? Nein, das sagt es leider nicht aus. Das sieht man nicht. Das zu sehen, wäre noch spannender für mich.

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    • Verfasser

      Stimmt, das sieht man nicht. Während meiner Überlegungen und Recherchen hatte ich übrigens kurz die Idee, wie es wäre, eine Aktion „Street-Fotografie 2015 in Deutschland“ zu starten: Alle Köpfe in den entstandenen Fotos könnten z.B. mit einem Stück Papier abgeklebt werden. Ausstellungen im öffentlichem Raum, Großdemo sozusagen, die auch den Betrachtern klar macht, welche Auswirkungen so ein Gesetz haben kann.

      Aber deine Idee geht das Thema subtiler an.

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  6. Ich denke, es wird zuviel gedacht und zu vieles „kaputt“ und „zu Tode“ diskutiert. – Gerade auch in der Kunst. Ob oder ob nicht: Es ist und bleibt die Entscheidung jedes einzelnen. Die Kunst muss nichts: SIe muss niemanden folgen, sie muss kein Soll erfüllen. Sie ist sich selbst genug, kennt keine Konventionen, keine Grenzen und keine Gesetze. Wir Bürokraten glauben gerne, jedes Detail in der Gesellschaft (durch Gesetze, Verordnungen und Erlasse) regeln zu können. Am Ende entsteht da nie erwas Gutes (man schaue sich gerade andere, viel diskutierte Bereiche wie den Mindestlohn an: gut gemeint, aber., aber..)
    Ob man jedes Bild, was im öffentlichen Raum entsteht, dabei in „die Welt blasen“ (um es mal überspitzt negativ auszudrücken) muss, bleibt dahingestellt. Der Fotograf entscheidet und muss im Zweifel den künstlerischen Anspruch gegen eine Gesetzesnorm abwägen.
    Warum sollte der Fotograf als Künstler dann nicht auch technisch sein Bild verändern? Das macht der von mir sehr verehrte Maler Gerhard RIchter mit seinen Fotos auch: Er übermalt sie.
    Die Kunst ist frei.
    Lg,
    Werner

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    • Verfasser

      Eine erfrischende Sichtweise! Ja, die Leichtigkeit, die die Fotografie vermutlich mal hatte, ist irgendwo zwischen Diskussion, Wertung, Paragrafen und Schubladen auf der Strecke geblieben ;-). LG, Conny

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  7. dosenkunst sagt:

    Ich sehe es ähnlich wie Rolleck. Fotografieren, wozu man Lust hat, die eigene Idee umsetzten, niemanden dabei bloßstellen aber nur das veröffentlichen, was rechtlich einigermaßen unbedenklich ist. Der Rest bleibt halt auf der Festplatte oder an der eigenen Wand. Bildmanipulation? Hm, entwickeln, OK, aber Veränderungen, Retusche, dann wird etwas völlig anderes daraus und das hat für mich nichts dokumentarisches mehr. Mir würde aber auch kein Bild einfallen, das ich so dringend im Netz zeigen muss und es deshalb vorher retuschiere.

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    • Verfasser

      Danke für deinen Kommentar, der den Aspekt der Dokumentation aufgreift, der dem Genre „Street“ eigentlich ja zugeschrieben wird. In diese Richtung gingen auch meine Bedenken.

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  8. Paleica sagt:

    ich finde die idee in ordnung, kleinigkeiten weit zu verfremden, damit die identifizierung nicht mehr möglich ist. dadurch kann man das foto zeigen und verletzt keine rechte dritter. die veränderung sollten halt nicht unbedingt die message des bildes verändern. wenn jetzt der mann zB eine Bibel in der Hand hätte und gebannt in die auslage der reeperbahn schaut und du stempelst die bibel weg, dann finde ich ist es was anderes.

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    • Verfasser

      Oha, ja, das würde in der Tat zu weit gehen. Wobei man sich immer vor Augen halten muss, dass das und noch viel mehr möglich ist und man sich fragen könnte/müsste, inwieweit Bilder glaubhaft sind……. Ein anderes Thema……

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      • Paleica sagt:

        das ist mal sowieso wieder eine andere sache. was man mit blickwinkel alles an realität verfremden kann und da reden wir noch gar nicht von photoshop.

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  9. Lilli sagt:

    Natürlich ist Retusche nicht „authentisch“, aber sie schützt in diesem Falle nur Persönlichkeitsrechte und verändert rein gar nichts an der Stimmung und der Bildaussage. Zuerst dachte ich ( bevor ich den Text gelesen habe), dass man den Mann mit seinen Pausbäckchen sicher wiedererkennt, wenn man ihn denn kennt…dann erst las ich, dass du die Kopfform und Frisur geändert hast. Das finde ich allemal besser und sicherer, als einen schwarzen Balken über die Augen zu ziehen a là BLÖD-Zeitung. Du hast das Originalbild unverändert für dich, zum Veröffentlichen gibt’s die „geschützte“ Version. Find ich gut und respektvoll. Es gibt ja Fotos, die in der ganzen Welt bekannt sind ( ich denke da an das nackte flüchtende Mädchen aus dem Vietnam-Krieg), die Menschen gänzlich ungeschützt der Öffentlichkeit preisgeben und die trotzdem wichtig und gut sind, um z.B. das Bewusstsein für Unrecht und Missstände zu wecken. Aber hier geht es ja um was ganz Anderes, um Alltag und die kleinen Dinge, die trotzdem sehenswert sind. Für mich ist das Bild auf jeden Fall authentisch, trotz Photoshop!

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    • Verfasser

      Vielen Dank für deinen Kommentar, Lilli. Respekt ist wichtig, gerade in der Fotografie, das sehe ich auch so.

      Mit dem „Vietnam-Mädchen“ führst du ein interessantes Beispiel an. Gerade dieses Bild „spielt“ durch Manipulation mit den Gefühlen des Betrachters und erzählt die Szene ein wenig anders, als sie wohl tatsächlich abgelaufen ist (http://www.zeithistorische-forschungen.de/2-2005/id%3D4632). Dagegen ist meine Manipulation tatsächlich harmlos. 🙂

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  10. Ich sehe es auch wie Werner. Wenn ein „Streetfoto“ durch Photoshopeinsatz per Definition kein „Streetfoto“ mehr ist, wäre mir das herzlich egal. Für mich ist das Resultat, das einzige, was zählt. Ob in Deinem Bild der Mensch verfremdet ist oder nicht: Egal. Ob es ein zufällig vorbeilaufender Passant oder ein bezahltes Model ist: Egal. Zumindest für mich. 🙂

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  11. hansekiki sagt:

    Moin Conny,
    meiner Meinung nach gibt es kein authentisches Foto. Der Fotograf bestimmt, wie er die Szene gestaltet und welche Geschichte dadurch erzählt wird. Von daher bin ich auch kein Gegner von Retusche und sei es nur um die abgebildeten Personen zu „schützen“, wie Du es in diesem Fall getan hast. Bloßstellung ist da ein wesentlich heikleres Thema. Ich muß bei solchen Themen oft an die Bilder von Martin Parr denken, die in gewohnt britisch humorvoller Weise schon die ein oder andere Bösartigkeit oder Absurdität zeigen. Er rechtfertigt sich damit, die Leute so zu zeigen, wie sie auf ihn wirken und trifft damit eigentlich auch immer in’s schwarze. Mittlerweile ist er Magnum Fotograf, also was soll’s 😉 Es gab 2013 schon einmal eine rege Diskussion in der Reportagefotografie um das World Press Photo von Paul Hansen. Da sieht wirklich jeder, daß in diesem Bild viel Computerarbeit drin steckt. Photoretusche hat es schon immer gegeben und sollte meiner Meinung auch nicht so eng gesehen werden. Man muß oft nicht einmal die große Retuschepalette auffahren, manchmal reicht ein einfacher Beschnitt und die Geschichte wirkt gleich ganz anders. Wer fotografiert, möchte eine Geschichte erzählen, darum geht es doch. Respekt und Zurückhaltung ist wichtig und das sieht man auch deiner Aufnahme an. Hast meiner Meinung nach alles richtig gemacht. 🙂
    LG kiki

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    • Verfasser

      Moin Kiki, ich glaube, wir dürfen Authentizität und Objektivität nicht in einen Topf schmeissen. Ein Foto kann nicht objektiv sein, weil der Ausschnitt usw. vom Fotografen gewählt wird. Aber es kann doch authentisch im Sinne von unverfälscht sein, was es eben nicht mehr ist, sobald man mehr tut, als es nur zu entwickeln, wobei, wie du schreibst, schon in der echten Dunkelkammer eingegriffen wurde. So wie im Fall des Hansen-Fotos, wo offensichtlich die Lichtverhältnisse manipuliert wurden, was über den Grad normaler Entwicklung hinausgeht und was nebenbei bemerkt, ziemlich unecht aussieht. Das ist nicht mehr authentisch. Aber kann man Lichtverhältnisse tatsächlich authentisch darstellen? Wann sind sie das? Das Auge gleicht viel mehr aus, als der Kamerasensor. In diesem Sinne wäre Hansen´s Foto eigentlich authentischer im HDR-Look…… Oh je, ich verfranse mich :-D. Hätte er einen Kopf umretuschiert, wäre das Bild nicht authentisch, das dürfte stimmen. 😉

      Über Fotografen wie Martin Parr kann man sicher ganze Abende streiten, mir geht es da so wie dir, manche seiner Bilder überschreiten meine Grenzen und hätte ich sie aufgenommen, würde ich sie nicht zeigen. Aber sie provozieren und ecken an, bringen etwas auf den Punkt und sind wichtig Zeitdokumente.

      LG, Conny

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  12. Toni sagt:

    Ist es nicht schon Verfremdung, wenn ich ein Bild s/w entwickle? Ich habe mal gelesen: Farbe heißt dokumentieren, schwarz/weiß heißt interpretieren… ?! Die Frage wäre dann: Verändere ich das Bild, wenn ich der „Realität“ die Farbe entziehe? (Geht die Frage am Thema vorbei???)

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    • Verfasser

      Tja, das ist eine gute Frage! Farbe liefert schließlich Informationen und allgemein gelten s/w-Aufnahmen als zeitlos, so liest man immer wieder. Die Konvertierung in s/w macht etwas mit dem Bild. Allerdings würde ich es wohl darauf begrenzen, wie wichtig die Farb-Information im Bild ist. Hier spielt sie z. B. keine Rolle. Aber das beantwortet deine Frage nicht ;-).

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      • tonitonfeld sagt:

        Nun ja, ich denke, Farbe ist mehr als „nur“ Informationsträger… aber da wirds jetzt vlt. schon zu philosophisch/kunst-theoretisch… 🙂 ich habe auch eine Menge Street-Art-Bilder, sehr viele auch in schwarz/weiß, aber nur bei den Farbigen habe ich das Gefühl, noch einmal dort zu sein, wenn ich sie anschaue… das wird vor allem bei den Bildern aus dem Ausland deutlich…

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        • Verfasser

          Farbe ist auch Informationsträger, wäre treffender formuliert, stimmt.

          Interessant, dass du nur bei den Farbigen dieses Gefühl hast. Das könnte ich nicht so allgemein sagen, es kommt sehr auf das Motiv an.

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          • tonitonfeld sagt:

            Joa… sehr subjektiv, aber bei den s/w-Bildern wird eben genau diese Verbundenheit mit der Zeit (und vlt. auch dem Raum) aufgehoben… wie woanders schon gesagt: WENN street-art Richtung Reportage gehen soll bzw. der Fokus darauf liegt, DARF in meinen Augen keine Farbe entnommen werden; wenn eher dem Motiv inhärente Aspekte im Vordergrund stehen und damit die Zeitlosigkeit des Motivs betont werden soll, eignet sich gerade s/w, da ja dadurch das Subjektive des Motivs vor dessen Verankerung in der Welt gestellt wird…

            Ansonsten: Natürlich ist die Wahl des Blickwinkels und Ausschnitts immer auch Interpretation bzw. „Wahl EINER möglichen Realität; sobald ich aber das Bild manipuliere, NACHDEM der Augenblick festgehalten wurde, kann nimmer von einer Abbildung der Realität gesprochen werden; es ist dann einfach eine mögliche Form von Kunst. Und da ja fest steht, dass Kunst ALLES darf und niemals begrenzt werden kann (die nachträgliche Begrenzung der Verbreitung durch Gesetze ist ja etwas anderes), drehen wir uns hier sowieso im Kreise; Entweder reden wir über sprachliche Begriffe (Was heißt Street-Art), oder wir hören auf, eben genau jene Kategorien zu bilden und geben allen die Möglichkeit, alles zu sein. In der Musik klappt es ja auch; das Verwischen der Grenzen von Stilen und damit ihrer einzelnen Fesseln…

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  13. Ich denke das man bei Street ja auch eine Geschichte erzählen will. Sollte etwas in dem Bild vorhanden sein, dass von dieser Geschichte ablenkt, versuche ich es natürlich rauszunehmen (Wahl des Ausschnitts…). Sollte immer noch etwas in dem Bild sein was stört, ist es doch okay dies auch zu beseitigen. Es ist zwar schöner wenn ich dies alles schon beim Konzept des Bildes während der Aufnahme erledigen kann. Doch manchmal geht dies halt nicht, weil die Geschichte an sich wichtiger ist oder weil halt nur dieser Moment zur Verfügung steht.
    Ich denke, dass ein Bild seine Authentizität nicht unbedingt verliert, weil man ästhetische oder ‚rechtliche‘ chirurgische Eingriffe vornimmt.
    Die Manipulation in einer Geschichte ist natürlich gewollt und es ist doch gerade schön wenn man Betrachter durch eine optische Täuschung verführt, die die Geschichte unterstreicht. – Habe heute ein Bild rausgehauen auf dem ein Skater gerade irgendwelche Tricks macht. Ohne Skateboard sieht er jedoch aus, als ob er tanzt. Diese Vorstellung fande ich viel schöner.
    LG, Markus

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    • Verfasser

      Das ist nochmal eine ganz andere Sichtweise und schon ziemlich weit entfernt von den engen Definitionen von Street-Fotografie, die ich gelesen habe ;-).
      Du hast das Skateboard nicht retuschiert, sondern durch den Ausschnitt weggelassen, das ist ein Unterschied :-).
      „‘rechtliche‘ chirurgische Eingriffe“ 😀 – schön ausgedrückt!
      LG, Conny

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  14. thomasclemens sagt:

    Hallo Conny, da bin ich ausnahmsweise mal nicht Deiner Meinung. Nach meinem Empfinden sollte man die Bildinhalte bei der Street-Fotografie nicht ändern bzw. Manipulieren. Street soll doch gerade die authentische Situation widerspiegeln und das widerspricht der Manipulation der Bildinhalte, oder liege ich damit total falsch. Ich würde Street immer irgendwie der Reportagefotografie zuordnen und da ist das Manipulieren von Bildinhalten ein absolutes No-Go.

    Viele Grüße
    Thomas

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    • Verfasser

      Hi Thomas, wenn ich so eine Frage stelle, wünsche ich mir ausdrücklich auch Kommentare wie deinen, denn dieses Thema ist durchaus kontrovers zu diskutieren. Im Sinne der Reportage muss ich dir Recht geben, denn man will sich beim Betrachten der Bilder darauf verlassen können, dass der gezeigte Inhalt nicht manipuliert ist. So gesehen finde ich die Offenlegung umso wichtiger, auch weil es das Dilemma der Rechtslage thematisiert.
      LG, Conny

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  15. aebby sagt:

    Dass der Respekt gewahrt bleibt ist das Wichtigste. Die Idee einer gewissen Verfremdung finde ich gut, sicher wird damit etwas am Bild verändert, das sehe ich inzwischen aber sehr entspannt. Die nicht bearbeitete Real-Life Aufnahme ist eine Legende. Gerade in der Streetfotografie wird oft den Legenden nachgeeifert, es wird aber fast vergessen, dass die Legenden teilweise gemogelt haben. Insofern sehe ich das entspannt und würde die Frage im Titel beantworten, dass ein Hauch Authentizität genügt.

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    • Verfasser

      Eine Antwort, die mir gefällt, Aebby. Von einem Fachmann hörte ich, dass „die Legenden“ teilweise mächtig raubretuschiert haben, was wohl durch Abdeckung während der Entwicklung möglich ist.

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      • aebby sagt:

        Bei der analogen Arbeit war Retusche im vollen Umfang möglich, es war nur viel aufwändiger wie heute. Ich habe auch mal gelesen, dass ein paar der berühmten Street-Fotografien mit Schauspielern gestellt wurden also mitnichten den entscheidenden Moment zeigen (da muss ich aber die Quelle nochmal suchen).

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          • aebby sagt:

            Die Quelle, die ich eigentlich im Kopf hatte, habe ich leider noch nicht gefunden, dafür aber auf die Schnelle ein paar andere zu wichtigen Bildern, die in der offiziellen Wahrnehmung „den Moment“ beanspruchen.

            Roberts Doisneau berühmtes Bild „küssendes Päärchen“, das als „Streetfotografie“ berühmt wurde, war eine Auftragsarbeit, die mit Schauspielerm gestellt wurde. Witzigerweise wird es immer noch als Streetfotografie angesehen, es trudeln immer noch Klagen von Leuten ein, die behaupten, dass sie auf dem Bild zu sehen sind.
            http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/kunst-ein-kuss-geht-um-die-welt-1233604.html
            http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Doisneau

            Rosenthals „Raising the flag on Iwo Jima“ ist gestellt. Das echte Bild vom Tag zuvor kennt kaum ein Mensch.
            http://en.wikipedia.org/wiki/Raising_the_Flag_on_Iwo_Jima

            Capas sterbender Kämpfer im Bild „Spanish Civil War“. Das Bild zeigt zwar einen sterbenden Menschen, war aber auf bittere tragische Weise gestellt.
            http://www.welt.de/welt_print/article2593335/Ein-Bild-truegt-mehr-als-tausend-Worte.html

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            • Verfasser

              Vielen Dank, gerade bei der ersten Story habe ich sehr schmunzeln müssen.
              „Der Fotograf ließ sie in dem Glauben, das Liebespaar vor dem Pariser Rathaus zu sein – und reagierte auch nicht, als die beiden Mittsechziger am Valentinstag des Jahres 1992 im Fernsehen als die Liebenden des „Baiser de l’Hotel de Ville“ auftraten und erzählten, die Fotografie sei ohne ihr Wissen aufgenommen worden. Später sagte Doisneau, er habe die Illusionen des Ehepaars Lavergne nicht zerstören wollen.“ Sehr schön!

              „Es ist den größten Künstlern vorbehalten, auch in der schönsten Hommage an die Liebe Geheimnisse zu bewahren.“ Nett formuliert 🙂

              Die Geschichte um das Kriegsfoto Capes ist wirklich erschütternd.

              Alle drei Beispiele geben doch sehr zu denken………

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  16. Ray Catcher sagt:

    Dazu ist wirklich schon soviel geschrieben worden, auch 1000 Rechtfertigungen, dass man es ja machen kann, weil „man ja im positiven Sinn abgebildet hat“.

    Einmal die rechtliche Lage, aber auch durch die Selbstreflektion, dass ich selbst auch nicht ungefragt ins Netz gestellt werden will, egal wie „nett“ ich gerade aussehe, hat mir die Streetfotografie praktisch verhagelt (mit paar inkonsequenten Ausnahmen, ähem…) Überhaupt keine Lust dazu, sie aktiv anzugehen. Ganz abgesehen davon, dass ich mich wahrscheinlich in die ganzen verklemmten „Auf Brusthöhe Knipser“ einreihen würde.

    Grundsätzlich gilt ja, dass ich ja viele Aspekte und Absichten des Fotografierten nicht kenne. Weiß ihr Mann davon,dass sie gerade in Bonn ist? Oder mit dem Kerl? Privatsache. Hat sie ethische Bedenken? Findet er seine Wampe unvorteilhaft, obwohl sie gar nicht im Bildmittelpunkt steht? Fühlt sie sich instrumentalisiert? Wird die Situation aus dem Kontext gehoben, wovon ich nichts weiß? Oder in einen falschen Konext gehoben? Zum Beispiel, weil ich ja durch Veröffentlichung den Ursprung für weiteren Missbrauch biete.

    Zu sagen, dass man das Bild jederzeit aus dem Netz nehmen kann, wenn sich jemand beschwert, wie viele sich rechtfertigen, ist zu einfach gedacht. Der Abgebildete ist nämlich wahrscheinlich der letzte, der sich entdeckt. Dann ist das Kind eventuell schon längst in den Brunnen gefallen, zum Beispiel, wenn er darauf aufmerksam gemacht wurde. Das ist Fluch und Segen der Digitalfotografie im Internet. Sie ist ohne Folgekosten jederzeit reversibel. Vermeintlich. Niemand würde die Bilder für ein Buch freigeben durch das erhebliche rechtliche Haftungsrisiko.

    Dein Bild finde ich unkritisch, weil ich den Mann wirklich nicht erkennen würde, auch seine Kleidung ist nicht besonders spezifisch. Aber ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen!

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    • Verfasser

      Auf dem Bild im Original wäre er zu erkennen, wenn man ihn kennt, denn er hat ein recht markantes Profil und eine ungewöhnliche Frisur. Dazu das Logo auf der Jacke und das Ganze dann noch in Farbe…… Geht nicht! Und genau deine Gedanken hatte ich: Was, wenn vielleicht niemand wissen soll, dass er sich auf der Reeperbahn rumtreibt, was nichts heißen muss, aber kann.

      „Zum Beispiel, weil ich ja durch Veröffentlichung den Ursprung für weiteren Missbrauch biete.“ Ein interessanter Aspekt, den ich noch gar nicht bedacht habe. Das Thema ist und bleibt kontrovers und ist so auch immer wieder zu diskutieren. Danke für deine Gedanken dazu!

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  17. Ray Catcher sagt:

    Zum authentischen Gedanken noch ergänzend. Nicht muss irgendwie sein in der Fotografie aus meiner Sicht. Nur dann, wenn es dokumentarischen Anspruch hat. Aber selbst dann wählt der Fotograf durch Ausschnitt und Bildkern sein „Bild“. Authentizität lebt in der (nicht dokumentarischen) Fotografie durch die Echtheit der Bildaussage, nicht der Situation.

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    • Toni sagt:

      Bleibt die Frage, was „Echtheit der Bildaussage“ heißt 🙂 Das ist eigentlich ein Oxymeron… Bildaussage vs. Echtheit… Fest steht: Nicht der Künstler macht die Aussage, sondern der Betrachter… Völlig Wurst, was ich als Fotograph sagen will… Erst IM Menschen, der mein Bild betrachtet, entsteht Bedeutung… ob es „echt“ ist oder nicht… Der eine sieht dem Menschen auf der Reeperbahn, der Andere das formidable Angebot ;), und wieder der andere durch die Wahl der s/w – Verarbeitung das Erdrückende der modernen Gesellschaft mit ihren babylonischen Zügen (ich habe mal überspitzt, um deutlich genug zu sein…)…

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      • Ray Catcher sagt:

        Da hast du schon Recht. Ich finde deshalb auch eine Kategorisierung, was man in der Fotografie (hier Streetfotografie) darf oder nicht, ins Leere laufend. Der Betrachter entscheidet, was es für ihn ist und ob es sich „authentisch“ anfühlt.

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  18. Nora sagt:

    Ich finde die Idee einer Unkenntlichmachung durch Bearbeiten in Photoshop viel besser als das Verpixeln eines Gesichts, das das ganze Foto verdirbt. Und ich denke auch, dass sich dadurch niemand erkennen und beschweren kann. Ich würde es jetzt nicht gerade machen, wenn die Person das Hauptmotiv des Fotos ist, aber so wie bei deinem Foto sehe ich kein Problem. Ich finde auch, man sollte die Kirche im Dorf lassen und einfach überlegen, wann man selbst eine Veröffentlichung eines Streetfotos von sich ablehnen würde. Also das wären vermutlich in erster Linie Fotos, auf denen ich furchtbar dämlich aussehe und solche, wenn ich an einem klar erkennbaren Ort bin, von dem andere nichts wissen sollen und die Situation irgendwie kompromittierend ist. Beides ist bei dir nicht der Fall. Ich weiß, dass es rechtlich gesehen noch strenger ist, aber hallo – wer sich im öffentlichen Raum bewegt, muss auch damit rechnen auf vielen Webcam-Aufnahmen zu sein und das könnte auch mal irgendwo veröffentlicht werden… Die rechtlichen Hauptpunkte habe ich mal in einem meiner Blogbeiträge kurz zusammengefasst: http://foto-paletti.de/allgemein/streetfotografie-und-duenne-eis/
    Schöne Grüße
    Nora

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