Truth & Fakes

Im Rahmen der Triennale in Hamburg begab ich mich mit dem Freundeskreis des Hauses der Photographie ganz „zeitgeistmäßig“ auf eine Radtour durch verschiedene Ausstellungen. Sie waren jede für sich großartig, so z. B. die [Control]/No Control in der Kunsthalle. Groß! Wir waren auch in der Ausstellung [JOAN FONTCUBERTA] Photography: Crisis of History. Vor dem Eingang der Barlach-Galerie wies ein Aufsteller u. a. auf die Künstler Picasso und Miró hin.

Aus dem Pressetext:

„The Artist and the Photograph (1994-98) zeigt fotografische Skizzen von Picasso, Miró und Dalí und bietet dabei neue Einblicke in die Malerei und das Wesen der Fotografie. Trepat (2014) untersucht die Ergebnisse eines Projekts aus den 1930er Jahren zur Dokumentation einer spanischen Fabrik durch Koryphäen, wie Walker Evans, Albert Renger-Patzsch, Moholy-Nagy und Man Ray. X.B. lässt das vergessene Œuvre des jungen, zum Zeitpunkt seines frühen Todes wenig bekannten Straßenfotografen Ximo Berenguer (1947-1978), dessen vor kurzem wiederentdecktes Werk die Energie und den Mut des Spaniens der 70er Jahre am Ende der Franco-Ära einfängt, wieder aufleben. „Fontcuberta ist ein auf brillante Weise origineller Künstler, Kurator, Schriftsteller, Historiker und Pädagoge“, so Alison Nordström, Kuratorin der Ausstellung. „Seine Arbeiten untersuchen die Rolle der Fotografie als Wissensgestalter, und es ist uns vergönnt, diese drei komplexen Installationen erstmals nach Hamburg zu bringen.“ (Quelle: https://www.phototriennale.de/site/assets/files/1036/pressemappe_7_triennale_der_photographie_hamburg_2018.pdf)

Die Kuratorin selbst führte uns durch die Ausstellung. Wir betrachteten Chroniken der Photographie, Fotografien und deren Bearbeitung durch die berühmten Maler, bestaunten und diskutierten deren Arbeiten ebenso wie die dazugehörigen Presseartikel, die in Schaukästen ausgestellt wurden. Und standen am Ende vor einem Spruch an einer Wand: „Every photograph is a fiction with pretensions to truth.“

Die anschließende Aufklärung hinterließ in mir ein mulmiges Gefühl, denn die gesamte Ausstellung war ein Werk Fontcubertas, die ausgestellten Arbeiten der berühmten Künstler und das präsentierte Pressematerial schlichtweg erfunden – ein Fake. Nun informiere ich mich schon ein bisschen, bevor ich eine Ausstellung besuche, aber der Wiki-Eintrag zu seiner Person weckte meinen Argwohn nicht und so habe ich nicht weiter recherchiert. Hätte ich es getan, wäre ich vielleicht argwöhnisch geworden. Fontcuberta und die Präsentation dieser Ausstellung haben nicht nur mich komplett hinters Licht geführt. Und das Erschreckende daran: Wie schnell glauben wir etwas, wenn es so professionell präsentiert, betitelt und (vermeintlich) in den Medien besprochen wird? Auch wenn wir noch nie davon gehört haben, dass Picasso auch fotografiert hat, glauben wir es, denn seine Bilder werden in einer Galerie gezeigt, haben kleine Schildchen und sowohl Presseartikel als auch die Aussagen der netten Galeristin verdichten unseren Eindruck.  Wie erschreckend ist das denn?

Wir sind geneigt, Fotos zu glauben. Wir sind geneigt, zu glauben, was in den Medien verbreitet wird. Wir sind geneigt, etwas ernst zu nehmen, wenn es in einem gewissen Rahmen verbreitet wird. Obwohl wir in einer Zeit leben, in der es scheinbar immer einfacher wird, sich zu informieren, sind wir mehr denn je gefordert, alles zu hinterfragen, denn wir sind so leicht hinters Licht zu führen.

 

5 Antworten zu Truth & Fakes

  1. martin sagt:

    ein mönch fragte: „was an den erscheinungen ist wahr ?“
    der meister antwortete:
    „erscheinung ist wahrheit; wahrheit ist erscheinung.“
    der mönch fragte:
    „wo offenbart sich das?“
    „hier“, sagte der meister und hob das teebrett.

    (aus dem zen)

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  2. Bernd sagt:

    Wahrheit- Fiktion – Lüge … wo sind dort die Grenzen. Mir schein das es diese heute „fast“ nicht mehr gibt. Ja, gar nicht gewollt sind, weil so kompliziert. Spannend und auch – immer noch – beängstigend ist es schon. Wo positionieren wir uns? 🙂

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