Anton Corbijn – Hervorragende Fotos ohne viel Zirkus

Anton Corbijn bei der Premiere von Control
Anton Corbijn Foto: Sebastian Niedlich

Schon lange interessieren und faszinieren mich die Fotos von Anton Corbijn, der einen ganz bestimmten Stil geprägt hat und einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Fotografen ist. Dass dieser Künstler auch Filme macht und Musikvideos gedreht hat, ist vielleicht nicht so bekannt.

Anton Corbijn wird 1955 als Sohn eines Pastors in den Niederlanden geboren und wächst auf der kleinen Nordseeinsel Strijen auf. Wie er selbst in diversen Interviews erzählt, wuchs er in einer Welt ohne visuelle Anreize auf, ohne Kino, Magazine und Fernsehen. Musik bringt Abwechslung in diese triste Welt und als es ihm nach einem Umzug in eine größere Stadt endlich möglich ist, Konzerte zu besuchen, traut sich der schüchterne Corbijn erst näher an die Bühne heran, als er die Kamera seines Vater mitnimmt und beginnt, Fotos zu schießen. Die Kamera bedeutet Schutz und Freiheit.

1974 beginnt er ein Fotografie-Studium, welches er aber nach 1,5 Jahren abbricht. 1979 zieht er nach London, wo der Puls der Musik schlägt und bekommt einen ersten Job bei der Post-Punk-Band Joy Division. Er fotografiert weiter auf Konzerten und seine Wahrnehmung der Musiker auf der Bühne verändert sich, seine Fotos verändern sich, so dass seine Bilder einen ganz eigenen Stil bekommen. Früh beginnt er, die Filme selbst zu entwickeln, denn der Prozess fasziniert ihn. Er entwickelt mit der Lithprint-Technik einen neuen Look, der die Musikbranche in den 90ern prägt.

Seit 1983 führte er bei über 70 Musikvideos Regie und gestaltete als Art Director viele bekannte Plattencover, wie z. B. „The Joshua Tree“ von U2 oder „Chaos“ von Herbert Grönemeyer. Er avanciert zum Haus- und Hof-Fotografen von U2 und Depeche Mode Dave Gahan und Anton Corbijnund hat maßgeblich an deren Image mitgewirkt. Anfang der 90er entwirft Corbijn das Bühnenbild samt Hintergrundfilmen zur Devotional-Tour von Depeche Mode und ist auch der Fotograf dieser Tour. Mittlerweile fotografiert er auch Prominente abseits des Musikgeschäfts, wie z. B. Isabella Rosselini, ihm stehen die Türen zu den Stars offen, was zum einen daran liegen mag, dass er für seine ausgezeichnete Arbeit international respektiert wird, zum anderen aber auch an seinem freundlichen Wesen und seinem Understatement. Beim Shooting bringe er etwas unbeschwertes ins Spiel, so Brian Eno über Corbijn, und die Stimmung würde ausnahmslos lustiger, wo Anton erscheint.

Er lehnt die Arbeit mit großem Stab und zentnerschwerem Equipment ab. Auf hasselblad.com steht zu lesen, dass Anton Corbijn nur mit kleinem Equipment arbeitet: 2 Hasselblads und 3 Linsen stehen zur Auswahl, die Bilder werden auf einen Kodak Tri-X-Film gebannt. Der Künstler arbeitet ohne Stativ, nicht im Studio und nur mit  vorhandenem Licht. Als Grund würde Corbijn angeben, keine klinischen Bilder zu mögen. In einem Interview mit Spielfilm.de sagt Corbijn selbst: „Ich bin bescheidener als Sie denken. Ich habe nur manchmal einen Assistenten dabei. Ich bin der Meinung, dass Fotografie eine sehr einfache Sache ist. Ich treffe die Leute – und die Kamera ist nur so etwas wie ein Aufnahmegerät. Meine Arbeit hat nichts mit dem Zirkus zu tun, den andere Leute auffahren, auch wenn man natürlich auch damit ein hervorragendes Foto machen kann.“

Auch seine künstlerische Herangehensweise mag sich unterscheiden von manch anderem Fotografen. Er lädt seine „Motive“ zu einem Experiment ein, zu einem Spiel. Er lädt sie ein, etwas anderes zu sein, etwas neues auszuprobieren und am Ende, so schreibt Brian Eno im Vorwort von „Startrak„, hätte man nicht das Gefühl seine Seele verloren zu haben, sondern ein paar neue dazu ausprobiert zu haben. Ein Shooting mit diesem Künstler scheint also immer ein Gewinn zu sein.

ControlCorbijn sucht nach einer neuen Herausforderung und 2007 erscheint „Control„, sein Regiedebüt. Ein Film, der die Geschichte der Band Joy Division bzw. deren Sänger Ian Curtis erzählt, der mit nur 23 Jahren Selbstmord beging. Der Film ist sehr erfolgreich und wird mehrfach ausgezeichnet, u. a. in Cannes als bester europäischer Film. Nicht von ungefähr verfilmte Corbijn diese Geschichte. Die Musik von Joy Division war einer der Gründe, warum es ihn 1979 nach London zog. Der Film ist sehr empfehlenswert. Wunderschöne Schwarzweiss-Bilder, die das Fotografen-Auge in jeder Einstellung reizen.

2010 folgt sein zweiter Film „The American“ mit George Clooney in der Hauptrolle. Es wird noch ein Dritter folgen und dann will der Künstler Bilanz ziehen und entscheiden, ob er sich ganz auf die Regie konzentriert. Es steht hoffentlich nicht zu befürchten, dass Anton Corbijn die Fotografie aufgibt. In einem Interview mit der Zeit erklärt der Künstler, wo für ihn der Unterschied zwischen Film und Fotografie liegt: „Bei einem Film kannst du jemanden in einen dunklen Tunnel mitnehmen, weil du weißt, dass es ein Film ist und man irgendwann wieder herauskommt. Ein Foto hingegen kannst du nicht in einem schwarzen Tunnel schießen. Das sind zwei grundsätzlich verschiedene Arten des Geschichtenerzählens. Die Fotografie bietet zudem sehr viel mehr Raum für Interpretation, während man bei einem Film eine genaue Vorstellung davon haben muss, was man die Leute erleben lassen möchte.“

Ich hoffe, Anton Corbijn erzählt uns auf die eine oder andere Art noch viele Geschichten.

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