
Ein Jahr ist zu Ende. Mein Jahr jedenfalls. Mein Jahr begann nicht am 1. Januar, sondern am 18. Dezember 2016. Ein sich schon lange anbahnendes Unglück manifestierte sich an diesem Tag und dann ging es erstmal nur abwärts. Und ehrlich, wenn man sich in so einer Abwärtsspirale wiederfindet, das eigene Leben komplett Kopf steht, klingen alle Beteuerungen, dass es schon wieder aufwärts gehen wird, wie hohle Worthülsen. Dann brauchst du jemanden, der dir einfach sagt, dass es ok ist wie du fühlst und der es verstehen kann. Menschen, die dich so annehmen, wie du gerade bist. Und dann macht es mich gelinde gesagt fast schon wütend, wenn ich durch die sozialen Netzwerke scrolle und immer wieder vom Glück lese. Das Glück deines Seins, es schwirrt herum, du musst es nur ergreifen. Oder noch schlimmer: Du musst dich nur entscheiden, glücklich zu sein – that´s it. Ich brauche mich bloß dafür entscheiden, die Glückskarte zu ziehen? Okay, ich bin eh eher ein Moll-Mensch, aber das geht mir doch zu weit. Auch Fragen wie „Wozu passiert dir das? Was will das Leben dir jetzt sagen? Wo will es dich hinführen?“ erreichen mich in solchen Momenten nicht. Vielleicht später mal. In ein paar Jahren. Wie heißt es so schön: Das Leben verstehen kannst du nur rückwärts….. Im Jetzt ist es manchmal einfach Scheiße. Scheiß-Leben, Scheiß-Schicksal. Scheiß-Esoterik-blabla. Manchmal ist das Leben ein mieser Verräter. Manchmal muss man sich im Dreck von Gefühlen suhlen, heulen und sich zurecht selbst bedauern. Trauer ist wichtig und Trauer dauert. Trauer tut weh, aber sie ist ein wichtiger Prozess im Gefühlsleben eines jeden. Und wenn dann so ein Dauergrinse-Coach um die Ecke kommt und mir die Trauer ausreden will, kann er sich gleich wieder um die nächste verpxxxxx. Ich bin da, wo ich jeweils bin. Und das ist ok. Wenn ich nie unglücklich bin, woher weiß ich dann, wie sich Glück anfühlt? Das wäre so, als würde in unserer vollgefressenen Wohlstandsgesellschaft jemand 2 Stunden nach dem Frühstück behaupten, er hätte Hunger.
„GLÜCK“ ist scheinbar die neue Dauerdroge der ewig Grinsenden. Vielleicht steigen deshalb die Zahlen der an Depressionen Erkrankten, weil sie sich angesichts des hochgepriesenen Glücksmodus komplett defizitär fühlen? (Das ist natürlich total polemisch, sorry). Und dieses Dauerglück gibt es auch nur in den sozialen Netzwerken. Wer trifft denn schon im Real Life auf Menschen, denen das Glück dauerhaft, wie in Stein gemeißelt, im Gesicht steht? Die morgens schon mit eingefrorenem Grinsen aufstehen, sich am Instagram kompatibel gedeckten Frühstückstisch mit ihrem Glückskeks Croissant fotografieren und fortan den Rest des Tages damit verbringen, sich und ihr Glück zu dokumentieren? Ich sehe sie jedenfalls nirgends…….
Ich bin in solchen Zeiten froh darum, mich ausdrücken zu können. Und ich mag es, wenn andere das tun, sich zeigen, wie sie sind und nicht das verzerrte Ideal ihres Selbst. Für mich sind es in erster Linie Bilder und Zeichnungen, oft im Kontext mit Lyrics zu Songs, die ich mag, und ausserdem schreibe ich manchmal Texte. Das hilft mir bei der Verarbeitung und hat mich gut durch das Jahr gebracht.
Und manchmal ist da ein ganz kleines Gefühl von Glück, nur einen Moment, und dann spüre ich ganz vorsichtig nach, denn Glück ist so zerbrechlich, so filigran wie eine Seele. Und es ist so flatterhaft wie ein kleiner Vogel, fliegt zu dir und im nächsten Moment ist es wieder weg.
Heute fragte mich eine Freundin, wie es mir geht. Eigentlich ganz gut, ich kann es selbst kaum glauben. Glück ist nicht die Abwesenheit von Unglück, es gibt noch etwas dazwischen.
„Dear friend
It´s been a long time
once upon a time
This little girl of mine
made her dreams
Reality came across the street
we don´t get what we dream …“

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