Der zweite Teil meines Berichts über die „Gute Aussichten“-Ausstellung in den Deichtorhallen beginne ich mit der Arbeit, die der von Henning Bode vom Konzept her gegenüber steht. „Dead White Men´s Clothes“ von Nicolai Rapp. Ebenso wie Henning Bode, ist Nicolai Rapp in ein fremdes Land gereist, doch sind die Ergebnisse völlig unterschiedlich.
Auf den Bildern sieht man ein geschnürtes Paket, sonst nichts. Bei näherem Hinsehen entdeckt man, dass der Inhalt bunt ist und hier und da ein Teil eines Kleidungsstücks zu sehen ist. Tagtäglich entsorgt die Überfluss-Gesellschaft der westlichen Nationen ihre gebrauchten Kleidungsstücke, Altkleidercontainer und Sammelstellen gibt es reichlich. Rapp interessierte, was mit der gebrauchten Kleidung passiert, wenn sie wieder auf den Weltmarkt zurück geschickt wird. Er reiste nach Africa und machte sich auf die Suche. Er verfolgte die Altkleider-Pakete bis auf die Märkte, wo afrikanische Frauen sie verkaufen und stieß auf völliges Unverständnis, dass Menschen so gute Sachen zum Anziehen nicht behalten und auftragen, was die Afrikanerinnen zu der Annahme verleitete, dass dies die Kleidung von Toten sein muss. In seiner Arbeit ging es ihm aber nicht darum, eine Sozial-Dokumentation zu fotografieren, er reduzierte sich auf die Objekte an sich. Trotzdem gelingt ihm damit der Denkanstoß im Kopf eines jeden Betrachters.
Fabian Rook ist für sein Projekt „Desktop Evidence“ auch gereist, allerdings nicht mit irgendwelchen Verkehrsmitteln, sondern mit Google Street View und in verschiedene Bildarchive. Entstanden sind fiktive Bilder, die man aber erst auf den zweiten oder gar dritten Blick als solche entlarvt. Kleine Störungen irritieren ebenso wie die Bildinhalte, die wie eine Dokumentation und zugleich unwirklich wirken. Spannend. Auf der Webseite kann man die Bilderstrecke betrachten und die ausführliche Erläuterung des Künstlers lesen.
Svetlana Mychkine zeigt „Zuckerblau“, Bilder, die in russischen Kinderheimen entstanden sind und, wie ich es empfand, sehr bedrückend wirken. Die Farben auf diesen Bildern sind schwer, ein schweres Blau-Grün. Die portraitierten Kinder wirken isoliert, teilweise fast etwas verstört, haben aber kurz vor der Aufnahme noch draußen fröhlich mit anderen Kindern gespielt, wie der Kurator erzählt. Die Farbgebung findet die russische Fotografin nicht schwer, sondern typisch russisch, denn in russischen Ämtern und Kinderheimen sei das ein ganz normaler Anblick. Im Gegenteil: Die Farben hätten etwas verbindliches und gar nichts melancholisches. Mit dieser Hintergrund-Information betrachtet man die Bilder ganz anders, was ich sehr interessant fand.
Jacob Weber hat sich erinnert. Seine Bilderstrecke „In Gegenwart“ stellt den Zusammenhang zwischen öffentlichen Nachrichten und dem persönlichen Erleben von Momenten her, in denen über Katastrophen wie z. B. die „Loveparade“ berichtet wurde.
Auf die Arbeiten von Susann Dietrich und Saskia Groneberg gehe ich an dieser Stelle nicht ein, weil ich dafür in der Ausstellung wirklich nicht mehr aufnahmefähig war. Kennt der eine oder andere bestimmt, irgendwann ist man „dicht“.
Ich kann Deinen letzten Satz gut verstehen, da ich auch in der Ausstellung war.
Meistens sind es 2-3 Künstler, die einen am meisten beeindrucken und mit denen man sich dann auch intensiver beschäftigt. Am Ende fehlt dann oft ein wenig Luft, die Intensität aufrecht zu erhalten. Außerdem ist es – da bin ich ehrlich – auch so, das einen nicht jeder Künstler gleichermaßen anspricht.
Allerdings: Gute Aussichten bietet immer einen unglaublich vielschichtigen Ein- und Überblick über die Inhalte, mit denen sich Fotograf/innen beschäftigen: Man muss erst einmal – so wie Saskia Groneberg – darauf kommen, Büropflanzen zu fotografieren und dafür eine kleine Weltreise durch diverse Firmenbüros zu realisieren und durchzuhalten. 🙂
…und ehe ich es vergesse: ein wirklich sehr schöner, treffender und eindrücklicher Ausstellungsbericht!
f.
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Danke, die Büropflanzen war von der Idee her witzig, aber die wenigsten Bilder haben mich angesprochen……
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Saskia Groneberg Arbeiten fand ich auch toll, die Arbeitsplätze die ja jeder kennt so verdichtet und isoliert zu betrachten hat was.
Dieses Jahrgang gefiel mir um einiges besser als letztjähriger, was wohl auch an der Vielfalt der Arbeiten liegt. Wie immer eine Reise wert und sei es nur um im einzigen Fotobuchshop im Umkreis von 300 km zu stöbern.
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Stimmt, der Fotobuch-Shop ist genial! Zu der Arbeit von Saskia Groneberg: Idee und Umsetzung klasse, schön auch die ausgestellten Ableger, mich haben nur wenige Bilder angesprochen. Vielleicht hätte ich die Geschichte neben jedem Bild gestanden hätte. Ausserdem gefiel mir die Hängung mit nur zwei Pins lieblos.
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