„Aussehnsucht“ – Projekt der Fotografin Rebecca Sampsons

Noch bis zum 27. Februar 2011 werden in den Hamburger Deichtorhallen die Abschlussarbeiten von 8 Fotografiestudenten ausgestellt. „Gute Aussichten“ heißt die Ausstellung und findet jedes Jahr statt,  mit dem Ziel, den ambitionierten jungen Künstlern eine Plattform zu bieten, die ihnen eine große Aufmerksamkeit ermöglicht. Ich habe mir die Ausstellung angesehen und mich hat das Projekt „Aussehnsucht – When emotions fall silent“ der Fotografin Rebecca Sampsons nicht mehr losgelassen.

Rebecca Sampsons ist 26 Jahre jung und lebt in Berlin. Dort hat sie auch studiert und 2009 an der Ostkreuzschule Berlin ihre Abschlussarbeit „Aussehnsucht“ vorgelegt. Die zwei Worte, die in dem Titel stecken, drücken aus, worum es im Kern gehen könnte: Aussehen und Sehnsucht. Ein schön gewählter Titel für ein Projekt, welches zum Inhalt hat, Menschen mit Essstörungen zu porträtieren. Während ich mit einer geführten Gruppe durch die Ausstellungsräume schlenderte, weckten die mit 53x80cm großen, ausdrucksstarken Bilder Sampsons schon von weitem meine Aufmerksamkeit. Nah an diesen Bildern zu sein, raubt einem leicht den Atem, so intensiv sind sie. Das kommt nicht von ungefähr.

Die Fotografin litt einst selbst an einer Essstörung und ist für 3 Wochen in die Spezialklinik für Essstörungen zurückgekehrt, in der sie damals behandelt wurde. Sie lebte mit den Menschen und gewann deren Vertrauen.  Rebecca Sampsons Anliegen war es, sie so zu fotografieren, dass deren Geschichte und Seele zum Ausdruck kommt. Anders als auf vielen Fotografien von Essgestörten, wollte sie nicht deren Körper in den Mittelpunkt stellen. Ungewöhnlich auch, dass sie sowohl stark übergewichtige als auch stark untergewichtige Menschen porträtiert. In der Vorstellung im Video, erklärt die Künstlerin, dass sie die unterschiedliche Akzeptanz der verschiedenen Krankheitsbilder stört. Sehr dünne, sogar stark anorektische Menschen würden oft bemitleidet, sogar bewundert, während dicke meist verachtet würden und als schwach gelten. „Mein Eindruck ist, dass es zu sehr um den Körper geht. Dabei ist Körper lediglich das Schlachtfeld, also der Austragungsort, seelischer Konflikte.“, so die Fotografin in einem Interview mit Spiegel Online.

Man sieht der Bilderstrecke den respektvollen Umgang mit den Porträtierten an, die den Ort und die Art der Inszenierung selbst ausgesucht haben. Die Fotografin bot den Erkrankten eine Möglichkeit sich auszudrücken und ich denke, darin könnte das Geheimnis dieser Bilder liegen. Dem Betrachter offenbart sich die Aussage nicht immer sofort oder auch gar nicht. Man rätselt, hinterfragt, schaut wiederholt genau hin oder ist einfach von einem Blick, einer Geste elektrisiert. Das Foto des jungen Mannes z. B. , der den Kopf an eine Mauer lehnt und direkt in die  Kamera schaut, hat mich unmittelbar getroffen. Er schaut, als würde er mich mit diesem Blick festhalten wollen. Leider wirken die Fotos am Computer längst nicht so, wie in der Ausstellung. Hier kann man sich einige Bilder in größerer Auflösung ansehen.

In folgendem Video stellen sich alle 8 „Gute Aussichten 2010/1011“-Künstler vor, Rebecca Sampsons macht den Anfang:

„Gute Aussichten 2010/2011“ ist noch bis zum 27. Februar 2011 in Hamburg zu sehen. Ab 24. März 2011-22. Mai 2011 in Stuttgart in der VHS-Photogalerie. Danach kann man die Werke noch in den USA bewundern, denn ab 2. Juli 2011 wird sie in Washington DC, im Goethe-Institut gezeigt.

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