Phillip Toledano in den Deichtorhallen

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Im Haus der Photographie, im Rahmen der Triennale in Hamburg, werden z. Zt. 6 Serien des New Yorker Fotografen Phillip Toledano gezeigt. Von diesem Künstler hatte ich bisher noch nicht gehört und mich auch ausnahmsweise nicht vorab mit seinen Werken beschäftigt und war frei von jeglichen Erwartungen. Umso überraschter war ich von der Intensität seiner Arbeiten. Toledano setzt sich auseinander, mit sich, seinen Erinnerungen und Ängsten, aber auch mit gesellschaftlichen Themen wie Schönheit und Isolation. In „Days with my Father“ zeigt er Bilder, die während der drei letzten Lebensjahre seines an Demenz erkrankten Vaters entstanden. Ähnliche Serien gibt es auch von anderen Fotografen, aber diese ist anders. Die Fotos sind von Liebe und Zuneigung geprägt. Sie zeigen nicht nur den liebevollen Blick auf seinen Vater, sondern auch auf die Dinge um ihn herum. Es wird deutlich, wie sehr Vater und Sohn die gemeinsame Zeit genossen haben, wie eine ganz andere Nähe zwischen den Beiden entstand. Sie ist sehr persönlich. Gleichzeitig gibt es Texte zu den Bildern, wodurch man emotional noch näher an die Arbeit rückt, denn der Sohn geht darin sehr offen mit seinen z. T. ambivalenten Gefühlen um. So schreibt er z. B. zu dem folgenden Bild:

 

„Mein Vater redet oft davon, dass er sterben möchte. Er sagt, dass es Zeit ist für ihn sei, zu gehen, dass er schon viel zu lange hier war. Es ist seltsam, denn etwas in mir möchte auch, dass er geht. Das ist kein Leben für ihn, im Zwielicht halber Erinnerungen. Aber er ist der einzig lebende nahe Familienangehörige, den ich noch habe. Ich bin ein Einzelkind, nach ihm bleibe nur ich allein.“

 

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Die Serie „A New Kind of Beauty“ steht in starkem Kontrast zu der über den Vater, ist aber in ungefähr dem gleichen Zeitraum entstanden. Sie zeigt Menschen, die ihr Wunschbild von sich durch viele Operationen versuchten umzusetzen, die das Altern und ihr eigenes Sosein leugnen. Portraits, die durch ihre Schärfe und Klarheit konfrontieren. Portraits, die oberflächig betrachtet zwar Stolz und Würde festhalten, aber auch den kleinen Moment, in dem man meint, die tiefe Traurigkeit dieser Personen zu fühlen. Das ist allerdings meine Interpretation. Ein Blickwinkel verbindet eines der Portraits mit einem Toledano’s Vater (s. o.), sicher kein Zufall.


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Am meisten berührt hat mich aber die in einem kleinen Raum ausgestellte Serie „When I was six“, die wie ein Filmstreifen angeordnet ist.  Als Toledano 6 Jahre alt war, starb seine Schwester Claudia. Darüber wurde in der Familie geschwiegen. Erst nach dem Tod seines Vaters (die Mutter starb viele Jahre vorher) fand er eine Kiste, in der die Eltern Erinnerungsstücke an das Mädchen aufbewahrten. Und er begann, sich in seiner Arbeit mit seinen Gefühlen und Erinnerungen fotografisch auseinanderzusetzen. Die Präsentation ist sehr gelungen. Wunderbar, berührend. Wir sehen auf den Fotos Stück für Stück den Inhalt dieser Kiste, in der Sachen lagen, die er selbst noch nie gesehen hatte, gepaart mit den Bildern, in denen er seine Gefühle ausdrückt. Als Betrachter geht man mit Toledano auf die Reise und auch hier finden sich wieder kleine Texte, wie auch in dem wunderschön gestaltetem Buch, welches ich mir direkt in meinem Lieblingsbuchladen nebenan gekauft habe. Hierzu ein Tipp: Die limitierte Auflage von nur 500 Stück ist sicher bald vergriffen.

 

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https://vimeo.com/122441281

 

Last but not least gefiel mir „Maybe“. Hier visualisiert der Fotograf seine Zukunftsvision von sich selbst. Es sind Verschiedene denkbar und möglich, in diesem Artikel ist beschrieben, wie er sie entwickelt hat. Die Umsetzung war mit hohem Aufwand verbunden und für Phillip Toledano eine Art Selbsterfahrungtrip. Wer hat sich nicht schon mal gefragt, wie man selbst später aussehen wird, was man tut, was passiert, wenn man einen Unfall hat oder schwer erkrankt. Oder ein Star oder reich wird. Verrückte Idee, die verschiedenen Visionen „einfach“ mal darzustellen und sich in die Rolle einzufühlen.

 

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Was mir an diesem Künstler besonders gefällt ist die persönliche Ebene in seinen Arbeiten. Dieser Mann hat was zu erzählen, zieht mich emotional in seine Werke und seine Geschichte(n) und beim Verlassen der Ausstellung war ich angefüllt mit Bildern und Gefühlen, ein bisschen verwirrt ob der Offenheit und voller Gedanken und Ideen. Ich werde diese Ausstellung bald noch einmal besuchen und mir dann auch die Kurzfilme ansehen, denn dafür hatte ich diesmal keinen Kopf mehr.

Die Ausstellung ist noch bis zum 4. September in den Deichtorhallen zu sehen. Es lohnt sich!!!

Webseite des Künstlers

Infos zur Ausstellung (mit einem Video, in dem die Kuratorin über die Ausstellung spricht und auch auf den Kontext zu den ebenfalls ausgestellten Fotos aus der Sammlung F. C. Gundlach eingeht)

 

9 Antworten zu Phillip Toledano in den Deichtorhallen

  1. FOTOGRAFIKUM® sagt:

    Ich war zur Eröffnung dort und hatte das Glück, das Phillip Toledano und die Kuratorin uns einige Serien erklärt haben. Ich war sehr berührt von „Days with my Father“ und „Maybe“. Diese Ausstellung ist wirklich zu empfehlen.
    Beste Grüße
    Ernst Egener

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    • Verfasser

      Zur Eröffnung habe ich es nicht geschafft, leider. Ich finde es immer sehr interessant, Infos der Kuratoren zu bekommen oder im besten Fall von dem Künstler selbst. Gäbe es denn etwas, womit du diesen Artikel ergänzen würdest?

      LG, Conny

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      • FOTOGRAFIKUM® sagt:

        nein, du hast die Ausstellung toll beschrieben. Ich werde sie mir demnächst noch einmal in Ruhe ansehen.
        BG Ernst

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  2. Paleica sagt:

    toll! schade, dass ich soweit weg bin 😦 ich glaube allerdings, dass ich diese serie mit seinem vater irgendwann einmal in einer zeitung bzw. einem artikel gesehen habe, das kommt mir bekannt vor. auch die anderen themen sind toll, aber when i was six ist unbestritten das berührendste…

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  3. hansekiki sagt:

    Moin Conny,
    sehr beeindruckend geschrieben, danke! Bis zum 4. September sollte ich das eigentlich schaffen 😉 Ich vermute aber, das nach Toledano keine weitere Ausstellung an diesem Tag mehr in meinen Kopf hinein „passt“. Das muß man auch erst einmal verarbeiten.
    LG kiki

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    • Verfasser

      Danke, Kiki, ich habe den Fehler gemacht, anschließend noch in die kleinen Container-Ausstellungen der Triennale zu schauen, das war mir zu viel.
      Du hast Recht, man muss das erst mal sacken lassen, bevor der Kopf wieder aufnahmefähig ist. LG, Conny

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  4. LOG sagt:

    Sehr schöner Bericht, ich denke es lohnt sich für diese Ausstellung einen Tag Hamburg einzuplanen. Gespannt bin ich auf das von dir beschriebene Zusammenspiel von Text und Bild. Gerade bei stark emotionalen Bildstrecken lasse ich die Bilder gerne ohne Erläuterung oder Gedanken des Künstlers auf mich wirken. Manchmal reicht mir dann das Bild und meine Interpretation aus, manchmal bringt ein Text aber zusätzliche Tiefe. Ich bin neugierig geworden…

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    • Verfasser

      Danke dir! In diesem Fall ist es so, dass die Texte zusätzliche Tiefe bringen. Man taucht dadurch tiefer in seiner Geschichte ein, so ging es mir jedenfalls. Vielleicht schaffst du es ja in die Ausstellung, dann wünsche ich dir Anregung und Auseinandersetzung oder einfach viel Spaß 🙂

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