Samstag war ich, wie jedes Jahr, in der Ausstellung „Visual Leader“ in den Hamburger Deichtorhallen. Ausgestellt werden die Nominierten der diesjährigen Lead Awards. Wie immer, eine supertolle Ausstellung, auch für Menschen, die sich nicht der Fotografie oder dem Journalismus verschrieben haben. Es ist immer ein bisschen eine Zusammenfassung des vergangenen Jahres, da das Beste/Relevanteste/Interessanteste aus Printmedien und Online-Portalen ausgestellt wird.
Mein Favorit ganz klar die Arbeit von Peter Lindbergh, nominiert in der Kategorie „Mood- und Modefotografie“. Seine klaren und wunderbaren s/w Portraits des Models Amber Valetta, erschienen im Zeit Magazin, ist meines Erachtens aus rein fotografischer Perspektive die beste Arbeit.
Die Reportage, die mich nachhaltig beschäftigt, ist die von Michael Ober und Armin Smailovic. Ihre Reportage „Der Fluch der weißen Haut“ erschien in der Süddeutschen und hat mich sehr berührt. Und hier muss ich die Auswahl der Jury der ausgestellten Bilder kritisieren. Das Thema ist hart. Es handelt davon, dass Albinos im Osten Afrikas verstümmelt und getötet werden, weil Teile ihres Körpers, so wird es von Medizinmännern verkündet, Glück bringen. In der Ausstellung sieht man aber nur Bilder von Afrikanern schwarzer und weißer Hautfarbe. Das Thema geht aus den Bildern nicht hervor. Die Jury habe sich dafür entschieden, hiervon nur „nette“ Bilder zu zeigen, so erklärt uns die Dame, die durch die Halle führt. Als Besucher fühle ich mich irgendwie veräppelt. Bilder von Mädchen mit Prothesen, weil ihnen Gliedmaßen abgehackt wurden, sind dem Zuschauer nicht zuzumuten? Raubt das Fehlen dieser Bilder nicht der Reportage ihren ursprünglichen Sinn, nämlich genau darauf aufmerksam zu machen? Die verstörenden Bilder von Roger Ballen stellen kein Problem dar, die Arbeit von Florian Müller „Alles im Lack“ auch nicht.
Nichtsdestotrotz ist die Ausstellung in diesem Jahr überwältigend. Was sich gerade in den Printmedien abzeichnet, ist geprägt von einer Qualität, vor der ich nur den Hut ziehen kann. Ausdrucksstark, bewegend, innovativ. So viele, wirklich großartige Beiträge. Das alles zu beschreiben, würde hier zu weit führen. Schaut sie euch selbst an. Was der NDR über die „Visual Leader“ sagt, könnt ihr hier ansehen.
Eine Besonderheit gibt es noch: Momentan weiß noch niemand, wie die Jury entschieden hat, die Gewinner stehen zwar schon fest, werden aber erst Mitte/Ende Oktober bekannt gegeben. Man schaut so alle Beiträge neutral an und stürzt sich nicht gleich auf die Medaillenträger, so hofft die Jury. Das stimmt, denke ich.
Hier könnt ihr bis Mitte/Ende Oktober für den Publikumspreis abstimmen, wenn ihr Lust habt. Leider nur für einzelne Bilder, nicht für die Reportage oder den Beitrag an sich, was ich mir gewünscht hätte.
Und nun noch ein paar Impressionen (alle Fotos nur mit dem Smartphone aufgenommen, sorry):
Starke Ausstellung. Leider zu weit weg für mich. Aber vielen Dank für die Impressionen.
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Hallo Conny,
Peter Lindbergh ist schon der Überklassiker…einfach zeitlos gut und oft kopiert aber nie erreicht….und zur Ausstellung : Ist schon ganz ok aber das Hauptproblem ist das einfach kaum noch gute Printmedien gibt…alle schielen zu den Werbekunden und trauen sich nichts mehr zu und kosten darf es auch nichts…gedruckt werden dann überwiegend briefmarkengrosse Fotos im Beliebigkeitslayout…was ist aus dem STERN geworden, was aus GEO ? Es gibt Ausnahmen wie BEEF oder MARE , meinetwegen auch BRAND EINS oder ein Spezailistenmagazin wie RAMP , sowie einige wenige kleinere Modemagazine…aber visual Leader ?
Lieber Gruss, Jürgen
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Moin Conny,
die Reportage über die Albinos ist mir auch bekannt. Ich war zwar (noch) nicht in der Ausstellung, aber ich kann deine Gedanken sehr gut nachvollziehen. Eine Bildreportage lebt auch von der visuellen Aufklärung, da kann man nicht einfach etwas herausnehmen, nur weil man meint, es sei dem Betrachter nicht zuzumuten. Ich finde, es ist auch gleichzeitig ein etwas respektloser Umgang mit der Arbeit des Fotografen. Von einer Jury sollte man schon etwas mehr Engagement erwarten dürfen.
LG kiki
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Ja, Peter Lindbergh… Wen wundert`s? Reduktion und Konzentration, Schlichtheit. Und damit macht er zeitlos gute Bilder. Und Jürgen hat Recht, wenn er auf die Printmedien verweist, die nur noch den Massen folgen, weil sonst der Geldhahn zugedreht wird. – Wo also gibt`s Gutes (und Frisches und Neues und Mutiges) im Print?
Danke für den Tipp…. 🙂
Lg,
Werner
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Danke für den guten Beitrag. Macht mich echt neugierig. Ich muss vielleicht im November kurz nach HH. Würde ich mir gerne anschauen.
LG, Markus
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Gerne, Markus, aber diese Ausstellung endet am 8. 11. 2015. Ende November zeigt das Haus der Photographie Sarah Moon. LG; Conny
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uups, das schaffe ich wohl nicht mehr. So wie es aussieht sind aber wohl ständig lohnenswerte Sachen ausgestellt. Werde dann nächstes mal auf doof verbeischauen. Danke. 🙂
LG, Markus
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